Stellenanzeigen schreiben: Wie HR-Verantwortliche besser texten

Wer sich wochenlang Stellenanzeigen anschaut, trifft oft auf dasselbe Vokabular. Es muss eine Textfabrik geben, die die HR- bzw. People & Culture-Abteilungen mit denselben Textbausteinen versorgt, um das Unternehmen zu beschreiben. Oder die Verantwortlichen, die Stellenanzeigen schreiben, kopieren andere Anzeigen aus der Branche. Anders kann ich mir die immer gleichen Floskeln, Allgemeinplätze und Worthülsen nicht erklären. Es ist also Zeit für konkretere, lebhaftere und authentischere Stellenanzeigen – kurz: um bessere Texte für Stellenanzeigen zu schreiben. 

Damit dieser Post nicht nur bei der Kritik bleibt, will ich für die sprachlich-stilistischen Mängel Alternativen vorschlagen. Als Input für alle schreibenden HR-Menschen, um die graue Welt der Stellenanzeigen farbiger und informativer zu machen. 

Führende Unternehmen, soweit das Auge reicht 

Bei einem meiner ehemaligen Arbeitgeber ist mir diese Selbstbeschreibung bereits aufgefallen. Als ich dann wegen eines Evaluationsauftrags (damals als Berater in der IT-Branche) dutzende Webseiten von IT-Unternehmen ansehen und analysieren durfte, las ich die Wortwendung bei jedem Unternehmen. Und heute sehe ich sie oft in Stellenanzeigen: Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen beschreiben sich gerne und oft als “führendes Unternehmen” auf dem Markt. 

Die meisten Stellensuchenden dürften diese Floskel überlesen und sich nichts dabei denken. Ich vermute, dass sich niemand nur bewirbt, weil sich das Unternehmen rühmt, zu den Marktführern zu gehören. Und dennoch: Was bedeutet es denn, führend zu sein? Wie soll ich das überhaupt bewerten können? Und was ist, wenn ich feststelle, dass sich alle Branchenvertreter so beschreiben (wie viele Unternehmen können zeitgleich führend sein)? Was sagt mir das über das Unternehmen? 

Dass sich ein Unternehmen als führend bezeichnet, gilt für mich kaum mehr als Alleinstellungsmerkmal. Vielmehr vermute ich Überheblichkeit, die Darstellung falscher Tatsachen oder die ungeschickte Suche nach Aufmerksamkeit. 

Falls Ihr Unternehmen tatsächlich und nachweislich führend sein sollte, dann beschreiben Sie das mit konkreten Wörtern. Denn wenn schon selbstbeweihräuchern, dann richtig. Sagen Sie, welche Auszeichnungen das Unternehmen gewonnen hat, in welchen Berichten es gelobt wird und wie sein Angebot den Markt beherrscht. Je konkreter, desto besser. Stellensuchende wissen dann hoffentlich mehr über die Eigenschaften des Unternehmens – jedenfalls aus Sicht des Unternehmens selbst (für Fremdbeschreibungen besuchen diese kununu und andere Bewertungsseiten). 

Teams und Atmosphäre: Besser geht es nicht 

Diese Textfabrik für wohlklingende Stellenanzeigen muss Umsätze in Milliardenhöhen machen. Gefühlt jede Stellenanzeige wartet mit denselben Wörtern auf, wenn es um die Teams und Arbeitsatmosphäre geht. Wenn das nur stimmen würde, was da geschrieben steht, wäre die (Arbeits-)Welt eine schönere. 

Von dynamischen, motivierten und kollegialen Teams, interessantem und abwechslungsreichem oder gar lebendigem Arbeitsumfeld und angenehmer bis hin zu familiärer Arbeitsatmosphäre ist die Rede. Weder ich noch jemand anderes dürfte etwas dagegen haben, an so einem Ort zu arbeiten. Doch was bedeuten die wohlklingenden und über die Massen abgedroschenen Wörter? Hier ein paar kritische Fragen meinerseits zu ein paar der Worthülsen: 

  • Dynamisch: Das kann alles heissen von “Unser Zusammenspiel ist reibungslos” und “Wir erledigen unsere Arbeit beschwingt und voller Energie” zu “Wir haben viel Personalfluktuation”, bis hin zu “Wir zoffen uns ständig und erzeugen viel Reibungsverlust, was die Atmosphäre ganz schön aufheizt”. 
  • Motiviert: Wenn ich solche Wendungen lese wie “ein motiviertes Team”, denke ich unweigerlich darüber nach, ob es in derselben Firma auch ein unmotiviertes Team gibt. Klar, nicht alle sind immer hochmotiviert bei der Arbeit. Es soll auch Angestellte und Teams geben, deren Motivation das nahende Wochenende und der Monatslohn als einzige Motivation akzeptieren. 
  • Familiär: Ich habe keine Ahnung, seit wann der Familienbegriff in die Unternehmensführung und -beschreibung Einzug gehalten hat (dazu gibt es sicher irgendwelche Forschung). Sobald ich aber diesem Wort begegne, läuft es mir kalt über den Rücken. Womöglich hängt das von der eigenen Familiengeschichte ab und dürfte nicht auf alle Stellensuchenden zutreffen. Aber ganz ehrlich: Ich habe bereits eine Familie und mit der habe ich genug zu tun. Im Arbeitsleben möchte ich nicht noch mehr des Gleichen, sondern lieber ein Umfeld, das sich von Familiensorgen, -konflikten und -beziehungen unterscheidet – meiner mentalen Gesundheit zuliebe. 

Diese und andere Wörter klingen toll, sagen aber nichts oder sind sogar irreführend mehrdeutig. Es verblüfft mich, dass Unternehmen mit dieser Sprache davonkommen und sie neue Mitarbeitende finden (die in zu vielen Fällen schnell merken, dass es sprachlicher Schein ist, der es mit der weniger rosigen Arbeitsrealität nicht aufnehmen kann). 

Warum nicht zur Abwechslung ehrlich sein und das wahre Gesicht zeigen? Als Stellensuchender würde ich mich freuen zu lesen, dass sich das Team regelmässig in den Haaren liegt, um dann kurz darauf gemeinsam die beste Lösung zu finden. Ich hätte nichts dagegen, wenn ich wüsste, dass nicht immer alles so rund läuft wie erhofft, aber das Unternehmen bewährte Strategien auf Lager hat, stets die Kurve zu kriegen. Und schliesslich hätte ich Spass daran zu lesen, wie die Mitarbeitenden die Pausen verbringen. Ehrlich und möglichst konkret wünschte ich mir solche Beschreibungen, damit ich wirklich Lust bekomme, mich zu bewerben, oder gleich weiss, dass der Laden nichts für mich ist. 

Verschleierte Anstellungsversprechen 

Ich will mich nicht wiederholen, aber was da über Anstellungsbedingungen und Löhne geschrieben steht, geht kaum fantasieloser. Da werden mir attraktive und moderne Anstellungsbedingungen, moderne Infrastruktur und marktgerechte Löhne versprochen. Ob sich meine Vorstellungen mit den generellen Versprechen des Unternehmens decken, wage ich zu bezweifeln. 

Unter attraktiven und modernen Anstellungsbedingungen (zeitweise als Benefits angepriesen) stellen sich Unternehmen in der Schweiz oft nichts anderes als das Übliche vor. Wer freut sich heute noch über fünf Wochen Ferien, eine wahlweise 42- oder 40-Stunden-Woche und andere Standardbedingungen? Unternehmen verschleiern unter “attraktiv” und “modern” lediglich das, was sowieso alle bieten (müssen). Anstatt so zu tun, als ob die Stellensuchenden etwas Aussergewöhnliches erwartet, täte es die schlichte Wahrheit. Nur wenn die Bedingungen wirklich abweichen, sollten sie hervorgehoben werden (4-Tage-Woche, mehr als fünf Wochen Ferien für alle oder was es sonst noch für wahre “Benefits” gibt). 

Und anstatt von marktgerechter Entlöhnung zu schreiben, wäre es hilfreicher zu wissen, welchen Lohn ich erwarten darf. Einige wenige Arbeitgeber machen das bereits publik, indem sie entweder einen Lohnrechner bieten oder ein Lohnspektrum nennen. Transparenz statt Verschleierung wäre aktuell nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal, sondern vielleicht auch tatsächlich ein Wettbewerbsvorteil. 

“Show, don’t tell” gilt auch in Stellenanzeigen 

Aus der amerikanischen Literatur kenne ich die Mahnung “Show, don’t tell”. In Romanen, Reportagen und anderen Textsorten sollen Autor*innen beispielsweise Eigenschaften nicht bloss beschreiben. Sie sollen sie zeigen und ihnen so mehr Leben einhauchen. Dasselbe schlage ich für Stellenanzeigen vor: Unternehmen sollen konkret und realistisch zeigen, was sie, ihre Mitarbeitenden und deren Rollen und Aufgaben ausmachen. Anstatt also von einem lebendigen Arbeitsumfeld zu sprechen, soll ein Unternehmen zeigen, was diese Lebendigkeit ausmacht. Anstatt das Arbeitsklima als familiär zu bezeichnen, soll es lieber davon berichten, was das Klima familiär macht. Und es soll weder verschleiern noch euphemistisch umtänzeln, was es kurz und bündig als konkrete Anstellungsbedingungen und Lohn nennen kann. 

Wenn Sie sich als HR-Person ertappt fühlen, haben Sie schon den ersten Schritt zu besseren Texten für Stellenanzeigen gemacht. Sollten Sie sich nicht berufen genug fühlen, Ihre Stelleninserate zu überarbeiten, kontaktieren Sie mich

PS: Ich lasse die Beschreibungen der Aufgaben, Rollen etc. für den Moment weg. Aber hier gilt das Gleiche: Schreiben Sie nicht “spannend”, “interessant”, “anspruchsvoll” und dergleichen, sondern zeigen Sie, was spannend, interessant und anspruchsvoll an den Aufgaben ist.